Entlang der Nordküste immer gen Westen
Das Ziel unserer Reise ist ja eigentlich die Bretagne, die erreichen wir aber erst nach einer Woche, weil es auf dem Weg dorthin so viel zu sehen gab. Da der Fluss Couesnon die Grenze zur Bretagne darstellt, liegt der Mont St. Michel noch in der Normandie, wenn auch ganz knapp.
Unsere erste Sehenswürdigkeit in der Bretagne ist passenderweise ein Menhir, ein riesiger Hinkelstein, den Obelix hier wohl mitten in einem Maisfeld platziert hat.
Nachdem das Wetter am Nachmittag aufklaren soll, fahren wir weiter zu einem Stellplatz 7 km nordöstlich von St. Malo und von dort aus mit den Fahrrädern in die Altstadt. Eine schöne Strecke, vorbei an vielen burgenartigen Villen und entlang einer schönen Promenade. Unterhalb einer hohen Mauer beginnt der Strand, bei Ebbe ist es allerdings für die Bader ziemlich weit zum Wasser. Aber das ist in der Bretagne ja ein häufiges Problem.
In der Altstadt, genannt „Intra Muros“ (weil komplett von einer Stadtmauer umgeben), ist enorm viel los. Unzählige Menschen spazieren auf der Mauer entlang, unten am Strand gibt eine Braut alles für schöne Hochzeitsfotos! Erst steht sie nur bis zu den Knien im Wasser, dann will der Fotograf, dass sie sich setzt und das tut sie dann auch! Das Kleid dürfte jedenfalls ruiniert sein.
Die Altstadt ist bis auf die Stadtmauer im Krieg leider komplett zerstört worden, wurde aber im alten Stil wiederaufgebaut. Die Bombardierung erfolgte von See her durch die Alliierten um die Deutschen, die Stadt und Hafen besetzt hatten, zum Rückzug zu zwingen. Das gelang auch, aber dafür wurde die Stadt geopfert. Beschrieben wird das sehr eindrücklich im Roman von Anthony Doerr, „Alles Licht was wir nicht sehen“!
Nachdem wir direkt in Rotheneuf, einem ruhigen, schönen Badeort übernachtet haben, ist es am nächsten Morgen ein Katzensprung zu den mehr als 300 Skulpturen, die der Geistliche Abbe Foure im späten 19. Jahrhundert in die Küstenfelsen gemeißelt hat. Mit 55 Jahren konnte er sein Priesteramt nicht mehr ausüben, weil er taub geworden war und suchte wohl nach einer neuen Aufgabe. Fast zwei Jahrzehnte meißelte er den Granit zu skurrilen Figuren und Fabelwesen. Leider konnte er das Rauschen der Wellen, das an diesem exponierten Platz seine Arbeit begleitete, nicht mehr hören.
Interessant, wenn auch ganz anders, ist das Gezeitenkraftwerk an der Rance. Es wurde 1966 gebaut und erzeugt aus der Gezeitenströmung und der Strömung des Flusses Energie. Die Turbinen können in beiden Flussrichtungen (also bei Ebbe und bei Flut) Strom erzeugen. Die Spitzenleistung des Kraftwerks liegt bei 240 MW und es war bis 2011 das größte Gezeitenkraftwerk der Welt. Die Gezeitenströmung hat man in der Bretagne aber schon lange vorher zum Antrieb von Mühlsteinen genutzt. Die Mühle klapperte halt nicht am rauschenden Bach, sondern mit der abfließenden Flut.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir unser heutiges Ziel: Cap Frehel, wo wir auf einem schön in der Natur gelegenen Camping Municipal (13 € die Nacht, inklusive Strom) unser Standquartier aufschlagen. Am Nachmittag geht es mit den Rädern zum Leuchtturm. Die Heide ist leider bereits verblüht, dafür blüht der Stechginster leuchtend gelb. Angeblich soll man hier toll Vögel beobachten können, wir sehen aber nur einen leeren Felsen voller Guano und keinen einzigen Vogel außer Möwen.
In der Nacht regnet es heftig, aber der Wetterbericht lässt auf einen schönen Tag hoffen. Wir machen uns bei bedecktem Himmel mit Regenkleidung und warmen Sachen auf den Weg zum Fort La Latte und werden mit Sonnenschein belohnt. Irgendwie ist man hier immer falsch angezogen, weil das Wetter bisher ständig wechselt.
Das Fort ist eigentlich eine veritable Burg aus dem 13. JH und wird auch Chateau de la Roche Goyon genannt. Wir sind sehr positiv überrascht, denn es gibt viel zu besichtigen: Innenräume, ein Verlies, mehrere Türme und einen hübschen Garten. Das Ganze mit einem spektakulären Blick von St. Malo bis zum Kap Frehel. Die Burg wird von den heutigen Besitzern bewohnt. Diese haben innerhalb der Mauern viele kleine Gewürzgärten angelegt.
Zum Abschluss picknicken wir unten am Strand mit Blick auf die Burg und Peter macht mit Dröhnchen noch ein paar Fotos.
Abend und nachts regnet es wieder und am nächsten Tag dauert es lange, bis die Sonne durchkommt. Wir fahren bis zum Städtchen Paimpol und besichtigen dort die Ruinen der Abtei de Beauport. Gegründet wurde sie im Jahr 1202, mit Blütezeiten im 13. Und 14. JH und dann wieder im 18. JH. Dann aber setzte der Niedergang ein und die Abtei zerfiel. Heute ist sie ein wunderschöner Ort mit traumhaften Ausblicken auf das Meer. Das Kirchenschiff ist von prächtigen Hortensienbüschen bewachsen. Für mich sind diese Kirchenruinen besondere Orte, als würde der Geist der Vergangenheit noch in den Ruinen leben.
Unseren Nachtplatz finden wir in L´Arcouest, direkt oberhalb des Anlegers, von dem aus die Schiffe zu den Ile de Brehat fahren. Die Inseln sind autofrei. also werden nur Personen transportiert. Die Passage ist kurz (man ist nur 10 Minuten unterwegs), dafür sind die Preise hoch. Jede Person kostet 11,50 €, aber die Fahrradmitnahme ist ein teurer Spaß. Wir sollten doch lieber auf der Insel Fahrräder mieten, das sei viel günstiger, wird uns gesagt. Eine Internetrecherche zeigt uns, was wir sparen könnten: die Fahrradmiete ist genau 1 € günstiger. Da nehmen wir doch lieber unsere eigenen Räder mit, obwohl man dann in den Fahrzeiten begrenzt ist.
Warum man die Leute davon abbringen will, ihre eigenen Fahrräder mitzunehmen, liegt aber nicht nur an der Lobby der insulären Fahrradvermieter. Es ist tatsächlich nicht ganz einfach sein Rad die steile Rampe hochzuschieben und wieder an Land zu bringen, vor allem bei Ebbe, wenn die Schiffe weit draußen an einer Mauer anlegen, die bei Flut komplett unter Wasser ist.
Die Inseln sind sehr schön mit schönen alten Häusern und tropisch anmutenden Gärten mit Palmen, Agaven, Hortensien und Unmengen der leider schon verblühten Schmucklilien (Agapanthus africanus). Am besten gefällt uns aber der Leuchtturm Phare du Paon am Nordende der Insel den wir bei Flut erleben. Innerhalb der Zeit, die wir dort verbringen, setzt die Ebbe ein und es ist eindrucksvoll zu sehen, wie schnell und wie weit das Wasser zurückweicht. Buchten, in die gerade noch die Wellen schlugen sind plötzlich trocken. Schiffe die schwammen, liegen nun trocken und fallen nur nicht um, weil sie auf beiden Seiten Stützen haben. Das Wetter ist prächtig und unsere Regenkleidung, die wir immer dabei haben unnötig.
Am nächsten Morgen sieht es anders aus: Nebel und Nieselregen bis in den frühen Nachmittag aber so warm, dass man kurze Hosen tragen kann. Wir schlendern noch durch Paimpol und Treguier. Treguier ist ein besonders nettes, mittelalterliches Städtchen mit einer großen Kathedrale am Fluss Jaudy, der hier noch den Gezeiten unterworfen ist.
Nach einer Tagesetappe von 30 km erreichen wir unser nächstes Ziel: den Camping Municipal von Plougrescant, der auf einer kleinen Landzunge liegt. Bei Flut ist er vom Meer, bei Ebbe von Kies und Sandbänken umgeben, auf denen sich eine große Austernzucht befindet.
Hier arbeitet man mit der sogenannten Tischkultivierung, d.h. dass die Austern in grobmaschigen Kunststoffsäcken heranwachsen, die auf ca. 60 cm hohen Eisentischen stehen. Dieses Verfahren ist wesentlich schonender für den Meeresboden als Aussaat auf dem Meeresboden und Ernte mit Schürfnetzen. Der Arbeitsaufwand ist hoch, denn die Austern müssen regelmäßig gerüttelt und gewendet werden. Dazu fahren der Austernzüchter und seine Arbeiter mit dem Trecker bei Ebbe los, mit dem Gabelstapler werden die reifen Säcke an Land gebracht. Es dauert drei bis sechs Jahre, bis die Austern erntereif sind. Da wird der hohe Preis nachvollziehbar!
Die Tischkultur ist zwar aufwändiger, dafür haben die Austern keinen schlammigen Geschmack und eine schönere Schale, was die Franzosen besonders schätzen: Das Auge isst mit!
Am nächsten Tag machen wir eine schöne Radfahrt zu einem der bekanntesten Fotomotive der Bretagne: dem Haus zwischen zwei Felsen bei Point le Gouffre.
5 Antworten
Schade dass Ihr schon wieder auf der Rückfahrt seid, Ihr hättet gerne noch mehr aus der Bretagne berichten können!
Ich bin dabei das Womo für die Fahrt fertig zu machen.
Viele Grüße
Horst
Ein toller Bericht mit starken Fotos. Als ich 1971 dort war habe ich leider nicht so viel gesehen. Allerdings wurde mein Auto aufgebrochen und mein Geld geklaut (Nicht von einer Möwe). Dadurch war die Reisekasse reduziert und der Aktionsradius beschränkt. Es ist aber eine wunderbare Landschaft.
Weiterhin eine erlebnisreiche Reise wünscht euch
Gerd
Ich bin sehr begeistert, alle die Ziele zu sehen, die wir auch gerne ansteuern. Bin gespannt, bis wohin es noch geht.
Sehr schöne Fotos. Wir reisen quasi mit Euch.
Eigentlich machen Ulrike und Peter so schöne Reiseberichte, da braucht man nicht mehr hinzufahren, oder 😉
Grüße
Horst
Sehr schöne Fotos, vor allem die zerküftete Küste und die tollen Hortensien, einfach traumhaft, die Bretagne!
Viel Spaß weiterhin,
Claudia und Wolfgang