Über die Garden Route, den Addo Nationalpark und Graaf Reinet zurück nach Johannesburg
Auf der Fahrt vom Kap Agulhas ins Inland erleben wir auf einer Strecke von 330 km viele unterschiedliche Landschaften. Die Küste am Kap wird abgelöst von ausgedehnten, extrem trockenen Hügeln auf denen Schafe weiden, es folgen üppige grüne Weiden mit Kühen am Fuß der Berge um Swellendam.
Swellendam (gegründet 1746) ist nach Kapstadt und Stellenbosch die drittälteste (europäische) Siedlung in Südafrika. Ein Verwaltungsgebäude von 1747, das Drostdy, ist noch erhalten und heute ein Museum. Swellendam hat knapp 20.000 Einwohner und ist eine eigenartige Mischung aus Afrika (in den Vororten) und Neuengland (eng begrenzt in der historischen Innenstadt).
Von Swellendam geht es am Rand einer Schlucht den Tradou Pass hinauf. Auf der anderen Seite der Berge erstreckt sich die trockene Halbwüste der Kleinen Karoo.










Grund für den Abstecher ins Hinterland sind die Cango Caves, die wir nach einer Übernachtung in Oudtshoorn am nächsten Morgen besichtigen. Die schwarze Führerin spricht exzellent Deutsch und hat die Sprache in der staatlichen Schule in Oudtshoorn gelernt.


Oudtshoorn ist seit 1865 bekannt wegen der vielen Straußenfarmen in seiner Umgebung. Damals stiegen die Farmer, gezwungen durch eine lang anhaltende Dürre, auf die Straußenzucht um. Nach Gold, Diamanten und Wolle waren Straußenfedern vor dem ersten Weltkrieg die wichtigsten Exportgüter Südafrikas. In der 1920ern brach der Bedarf an Straußenfedern zusammen. Der Grund dafür war der Wandel der Hutmode als Folge der weiteren Verbreitung von Automobilen mit Verdeck. Da war ein riesiger Hut mit Straußenfedern nicht mehr unterzubringen. In der Stadt gibt es noch einige Villen, sogenannte Federpaläste, die sich reich gewordene Straußenzüchter gebaut haben. Leider werden wir angebettelt, als wir aussteigen, um sie anzusehen.


In der Umgebung von Oudtshoorn gibt es heute noch ca. 400 Straußenfarmen. Strauße werden heutzutage zur Fleisch, Eier und Lederproduktion gehalten. Viele Straußenfarmen bieten zusätzlich zum Kerngeschäft Führungen an und verkaufen Produkte aus Straußenleder. Auch wir besuchen ein Straußenfarm. Zuerst gibt es leckere Straußensteaks, dann wird man durch die Gehege gefahren und darf die Strauße füttern.






Von Oudtshoorn sind es nur 90 km bis nach Mossel Bay an der Küste. Dort besichtigen wir am nächsten Morgen im Dias Museum den Nachbau der Karavelle, mit der Bartolomeu Dias als erster Europäer hier 1488 gelandet ist. Das Schiff wurde in Portugal originalgetreu nachgebaut und von einer Crew aus Freiwilligen hierher gesegelt.


In George machen wir noch einen Abstecher zu einem Shweshwe Stoffladen. In Namibia und Südafrika sind uns diese Stoffe immer wieder verarbeitet begegnet. In Swellendam auf dem Künstlermarkt hat uns eine Dame verraten, wo man sie bekommen kann, nämlich in George! Die Baumwollstoffe werden auf traditionelle Weise im sogenannten „Blue Print“-Kupferrollendruck mit kleinen Mustern bedruckt. Der völlig unscheinbare Laden liegt mitten in der Stadt in einem heruntergekommenen Hinterhof. Um ihn zu betreten, muss man an einer vergitterten Tür klingeln und wird dann eingelassen. Man scheint sich vor einem Überfall zu fürchten und will nur vertrauenswürdig aussehende Kunden einlassen.


Nun bewegen wir uns auf der bekannten Garden Route. Es ist eine schöne Strecke, aber viele der Küstenorte sind geprägt von exklusiven Ferienhaussiedlungen. Die Häuser tragen Schilder der jeweiligen Wachgesellschaft (Armed Response) und sind von Elektrozäunen umgeben. Entlang der Küste ziehen sie sich in einem schmalen Speckgürtel dahin und man sieht fast ausschließlich Weiße.
Aber es gibt auch Orte, die noch bodenständiger sind. Einer davon ist Buffels Bay, wo wir übernachten. Wunderschön am Ende eines grünen, englisch anmutenden Flusstales liegt eine kleine Ferienhaussiedlung an einem langen Sandstrand. Hier wird gesurft oder simplen Strandvergnügungen nachgegangen, es gibt weder ein Hotel, noch ein Restaurant und auch keine Mauern, Stacheldraht oder Elektrozäune. Das fiel uns schon mehrfach auf: in abgelegenen Orten scheint man sich sicherer zu fühlen, da reicht die Alarmanlage und das Schild mit „Armed Response“ am Haus.



Am nächsten Morgen ist es nebelig. Wir stoppen kurz in Knysna und Plettenberg Bay, finden die Orte aber für unseren Geschmack zu elitär.Vielleicht liegt es ja auch am schlechten Wetter, daß der Funke nicht auf uns überspringt.
Am Robberg Nature Reserve machen wir trotz des diesigen Wetters eine Wanderung. Erst bei unserem Abstecher mit dem Auto zum Nature’s Valley kommt die Sonne hinter den Wolken hervor. Dort finden wir es wunderschön, die Lagune und der Urwald sind beeindruckend.







Kurz hinter Nature’s Valley beginnt der Tsitsikamma Nationalpark, wo wir zwei Tage verbringen. Lustig erscheint uns, dass der Ranger am Eingang uns mit „Mama“ und „Papa“ anspricht: „Mama and Papa will like it here!“ Wir stehen traumhaft schön direkt am Wasser. Die Brandung ist spektakulär und fast schon beängstigend. Meterhohe Wellen schlagen an die Felsen, die Geräuschkulisse ist ähnlich der an einer Autobahn.
Am nächsten Tag machen wir zwei Wanderungen: eine zur Mündung des Storm Rivers mit den bekannten Hängebrücken und eine in die andere Richtung. Hier müssen wir auf halber Strecke aufgeben, weil man nahe der Brandung über Felsen klettern müsste und uns die Strecke zu unwegsam und gefährlich wird. Mit der Gefahr lagen wir nicht ganz falsch, nur anders als vermutet: auf dem Rückweg sehen wir nämlich eine Puffotter mitten auf dem Pfad. Sie zieht sich auch nur ganz langsam ins Gebüsch zurück. Das ist das Gefährliche an dieser Schlange: sie flüchtet nicht vor dem Menschen!










Am nächsten Tag besichtigen wir bei der Abfahrt noch den „Big Tree“ im Tsitsikamma Nationalpark. Dann geht es an Port Elizabeth vorbei zum Addo Nationalpark, der in einer ganz anderen, nämlich eher trockenen, leicht hügeligen Landschaft liegt.
Im Addo Nationalpark sehen wir nochmals viele, viele Elefanten. Der Addo Nationalpark ist im Vergleich zum Kruger Park sehr klein und komplett eingezäunt. Deshalb leben die vielen Elefanten auf vergleichsweise engem Raum, ohne große Wanderungen machen zu können. Dafür hat man aber praktisch eine Sichtungsgarantie! Die Elefanten hier haben eine besonders schöne Farbe. Der Boden ist sandig und hat eine rötliche Farbe. Da die Elefanten sich nach dem Bad damit einstäuben, erscheint ihre Haut rotbraun.














Nach einer weiteren Pirschfahrt am nächsten Morgen fahren wir über Land bis nach Graaf-Reinet. Es sind viele schwere LKW unterwegs, Muldenkipper mit Manganerz auf dem Weg nach Port Elizabeth. Wir übersehen ein tiefes Schlagloch, glücklicherweise ohne dass der Reifen kaputt geht. Die Gegend ist einsam, auf 250 km passieren wir gerade mal drei einfache Landstädtchen: Somerset East, Cookhouse und Pearston. Unterwegs picknicken wir an einer Kehre mit schöner Aussicht. Leider ist der Rastplatz so zugemüllt, dass wir trotz guten Wetters im Auto bleiben.




Graaf-Reinet wurde 1786 von Kapholländern gegründet und ist damit die viertälteste Stadt Südafrikas. Es ist ein zauberhafter Ort mit vielen Häusern im Kapstil und einer Kirche, die der Kathedrale von Salisbury nachempfunden ist. Es gibt sogar ein Kunstmuseum und einen großen Kaktusgarten. Der ist sehenswert, aber viel interessanter ist sein 77 jähriger Besitzer. Ein Anwalt im Ruhestand, als Weißer ein Anhänger der ANC (African National Congress), Fan von Pink Floyd und sehr exzentrisch, dabei hochgebildet und bestens informiert. Wir unterhalten uns lange, dafür rückt er uns Blumentöpfe als Sitzgelegenheiten zurecht.
Das historische Zentrum ist wunderschön und scheint aus der Zeit gefallen. Oberhalb der Stadt liegt das Valley of Desolation, das trotz des Namens „Tal der Trostlosigkeit“ einen wunderschönen Ausblick bietet.
Wir stehen zwei Nächte im grünen Hof eines Hotels mitten in der Stadt und genießen es, tagsüber und am Abend durch die Straßen zu schlendern.













Nach zwei Nächten in Graaf-Reinet geht es nach Nieu Bethesda (1500 Einwohner), wo wir das Owl House besichtigen wollen. Es ist das Haus der exzentrischen Künstlerin Helen Martins (1897-1976), die in Südafrika für ihre „Art Brut“ bekannt ist. Die Zufahrtsstraße ist leider gesperrt. Während wir noch überlegen, was wir tun sollen, hält ein Auto an und rät uns dazu, einfach durchzufahren, die Straßenarbeiten würden erst morgen beginnen. Das tun wir dann auch, um uns die Alternative, eine 26 km lange ungeteerte Straße, zu ersparen. Bis auf die letzten zwei km mit einer halbseitig beschädigten Brücke und schlechter Wegstrecke ist die Strecke auch in Ordnung.
Das Owl Haus ist sehr interessant, alle Wände sind mit zerstoßenem, farbigem Glas verkleidet und der Garten voller seltsamer Figuren aus Beton. Da wir wissen, dass die Künstlerin im Garten durch Trinken von Lauge Selbstmord begangen hat, sieht man eher die tragische Seite dieses unverstandenen Künstlerlebens mitten im Nirgendwo.









Nach der Besichtigung von Owl House liegen noch mehr als 200 km Fahrt durch weites Land vor uns. Im Westen dräuen schwarze Wolken und bei Colesburg erwischt das Unwetter uns dann. Wir haben gerade an einem Farmstand angehalten, um Pause zu machen. Wir sitzen im Trockenen und lauschen dem Donnern des Hagels auf dem Blechdach und finden, dass wir es ganz gut getroffen haben. Auf dem Parkplatz vor dem Farmstall duckt sich der jugendliche Car Watcher im Unwetter. Peter schenkt ihm später eines seiner T-Shirts, so dass er wenigstens etwas Trockenes am Leib hat.



Nun neigt sich unsere Reise wirklich dem Ende zu. Ein strammer Fahrtag mit 510 km bringt uns bis nach Parys. Die letzte Nacht verbringen wir im Weltevrede Country Resort das nahe dem kleinen Ort Parys schön an einem Fluss namens Vaal liegt. Es gelingt uns, alles in die Koffer zu packen, was mit nach Hause soll. Einige alte T-Shirts und unsere beiden, mittlerweile sehr ausgelatschten Sandalen sowie aller Hausrat, den wir gekauft haben, gehen an Solomon und werden in seinem Township ein zweites Leben führen. Wir haben uns doch einiges zugelegt: eine Fleecedecke, eine zweite große Plastikschüssel zum Spülen, eine mit Deckel zum Einweichen von Wäsche während der Fahrt, einen kleinen Teppich vors Bett, einen Fußabtreter und einige Geschirrtücher.



Am letzten Morgen geht es über ländliche Straßen bis zur Autobahn nach Johannesburg. Wir schaffen es recht gut durch die Stadt, obwohl der Verkehr dicht ist und sind gegen neun beim Verleiher. Die Rückgabe ist schnell erledigt, es gibt keine Beanstandungen (obwohl wir die Zuckerdose zerbrochen haben), schließlich haben wir ja auch eine umfangreiche Kaskoversicherung abgeschlossen.

Es folgt eine Rundfahrt durch Soweto (1,2 Mio Einwohner im Jahr 2011, heute sicherlich viel mehr) mit dem uns schon als reaktionär bekannten Stadtführer Franz voller peinlicher Bemerkungen seinerseits. Der Knüller ist: „die haben es sich doch ganz schön gemacht“ angesichts der Wellblechhütten und „die demonstrieren ein bisschen, das ist der Einfluss der Gewerkschaften“ angesichts brennender Reifen auf der Zufahrt zum Krankenhaus.
Tatsächlich ist Soweto sehr vielfältig. Es ist alles vertreten von der Wellblechhütte und brennendem Abfall daneben bis hin zum villenartigen Einfamilienhaus. Alles ist eng an eng gebaut, weil die ursprünglichen Grundstücke sehr klein waren.
Sehr bewegend ist der Besuch an der Gedenkstätte für den 13 jährigen Hector Pieterson, der während der Schülerproteste gegen die Apartheid von Polizisten erschossen wurde. Das Nelson Mandela Haus dagegen ist touristisch ausgeschlachtet, auf der Straße davor tanzen halbnackte junge Männer pseudo afrikanische Tänze für die Touristen. Wir essen noch bei Mama Africa recht gut zu Mittag und dann geht es zum Flughafen.











Nun ist unsere große Reise durch das südliche Afrika tatsächlich vorbei.
Wir nehmen unendlich viele Eindrücke mit nach Hause, von denen wir noch lange zehren können. Wir haben tolle und sehr unterschiedliche Landschaften gesehen, interessante Menschen und Lebensverhältnisse und nicht zu vergessen viele Tiere. Die Reise war bestens organisiert, niemand aus der Gruppe wurde ernstlich krank und unsicher haben wir uns auch nicht gefühlt. Allerdings haben wir uns auch nicht unüberlegt verhalten. Das ist der einzige Nachteil des Reisens in Ländern mit krassen sozialen Gegensätzen: man bewegt sich nicht so zwanglos und unbefangen, wie man das in Europa (meist) tun kann. Daraus kann man lernen, dass wir unser privilegiertes Leben im europäischen Komfort mehr schätzen sollten.
Fazit: Das Reisen und das Unterwegs sein an sich bereichert das Leben!