Nach Hindernissen endlich in der Bretagne angekommen
Bretagne, zweiter Anlauf!
Vielleicht werdet ihr euch erinnern: Letztes Jahr mussten wir unsere erste Reise in die Bretagne wegen eines Getriebefehlers nahe Brest vorzeitig abbrechen und waren froh, noch auf eigenen vier Rädern nach Hause zu kommen. Zuhause wurde dann festgestellt, dass das Zweimassenschwungrad und die Kupplung beschädigt waren. Nach der Reparatur sind wir im Frühjahr ohne Probleme 8000 km durch Spanien gefahren.
Unser Plan für den Herbst 2024 war, die abgebrochene Reise des letzten Jahres fortzusetzen. Allerdings dachten wir an eine Fortsetzung der Tour und nicht an eine der Probleme! Kaum waren wir nämlich in Frankreich, ist es wieder passiert! Getriebefehler, Werkstatt aufsuchen! Glücklicherweise waren wir in der Nähe von Reims, wo es in Chalon en Champagne eine große Fiat Professional Werkstätte gibt. Die haben den Fehler ausgelesen und festgestellt, dass dieses Mal die Steuerbox des Getriebes Probleme macht. Anders als im Jahr zuvor ein eindeutiger Fehler und eine klare Vorgabe von Fiat, was bei diesem Fehler zu tun ist. Nach Rücksprache mit unserer Werkstatt zuhause, die das gleiche Vorgehen empfiehlt und einen fast identischen Preis ansetzt, entschließen wir uns, Balu in Frankreich reparieren zu lassen. Obwohl er nach einem Reset durch Abklemmen der Batterie wieder fährt, als wäre nichts gewesen. Aussage beider Werkstätten: „Das kann 5000 km gut gehen, aber vielleicht auch nur 50“. Dummerweise muss das Steuergerät bei Fiat in Italien bestellt werden und das hat gedauert… Passiert ist das Ganze am 2-ten Tag unserer Reise, am nächsten Tag hat die Werkstatt die Steuerbox bestellt, eingebaut werden konnte sie dann erst 6 Tage später.
Glücklicherweise gab es 30 km entfernt einen netten Campingplatz im kleinen Dorf Courmelois bei Val-de-Vesle und dort haben wir uns die Zeit vertrieben. Unser ursprünglicher Plan war sowieso, nahe Reims einen Zwischenstopp einzulegen, um zwei Kunstwerke eines Freundes anzuschauen. Der Urgroßvater unseres Freundes ist nämlich im ersten Weltkrieg in dieser Gegend gefallen und Rainer hat den Krieg in zwei Kunstwerken hier in der Nähe thematisiert.
An der Marne wurde im Spätsommer 1914 die deutsche Offensive gestoppt und es entwickelte sich ein vier Jahre dauernder Stellungskrieg. In dieser Zeit gab es fünf große Schlachten an der Marne, in denen eine halbe Million Menschen ihr Leben verloren. Unzählige Dörfer entlang der Frontlinie, die entlang einer kleinen Anhöhe über dem breiten Flusstal verlief, wurden dabei dem Erdboden gleichgemacht.
Statt mit dem Auto einen Abstecher von der Autobahn zu Rainers Werken zu machen, radeln wir vom Campingplatz aus hin und zwar nach Nauroy, einem der im 1. Weltkrieg völlig zerstörten und nicht wieder aufgebauten Dörfer. Heute sind die vielen Bombentrichter von einem Wäldchen überwuchert und bis auf die Reste des Eingangsportal der Kirche ist nichts geblieben. Gegenüber der ehemaligen Kirche steht Rainers Splittermann. Viele an Granatsplitter ähnelnden Teile aus Cortenstahl hat er so zusammengeschweißt, dass man je nach Blickwinkel einen deutschen oder einen französischen Soldaten erkennt. Sein zweites Kunstwerk war für eine Fahrradtour zu weit entfernt.
Am nächsten Tag schauen wir uns Reims an. Praktischerweise gibt es zwischen dem Dörfchen Courmelois und dem 20 km entfernten Reims eine gute Busverbindung mit der man für 2€ pro Person bis direkt zur Kathedrale fahren kann.
Auch die Kathedrale hat, wie die Umgebung, im 1. Weltkrieg sehr gelitten. Sie wurde im September 1914 von den Deutschen beschossen und in Brand gesetzt, was verständlicherweise für große Empörung sorgte, denn es handelt sich um die Krönungskirche der französischen Könige. 1920 wurde sie dann wiederaufgebaut. Insgesamt finden wir die Kathedrale weit weniger eindrucksvoll als die von Chartres. Das gleiche gilt für den Vergleich der Städte Reims und Chartres.
In Reims gefallen uns aber diverse Art Deco Bauten und der Park zwischen Bahnhof und Innenstadt. Der ist sehr schön angelegt, mit einer breiten Promenade unter Bäumen, einer Schattenbepflanzung mit Stauden in verschiedensten Grüntönen und vielen Sitzplätzen, die dazu einladen, diesen öffentlichen Raum zu nutzen.
Reims ist der Mittelpunkt der Champagne und hier sind alle bekannten Namen mit Kellereien vertreten: Veuve Cliqot, Pommery, Taittinger, Mumm…Die Verkostungen sind aber so teuer, dass wir dankend verzichten.
Vor dem Rathaus wimmelt es vor festlich gekleideten Menschen und geschmückten Autos. Heute ist nämlich Samstag und offensichtlich laufen da die Hochzeiten im zehn Minuten Takt ab. Der Kleidungsstil der Bräute ist multikulturell: von hochgeschlossen bis tief geschlitzt und dekolletiert ist alles dabei.
An Sonntag machen wir eine größere Radtour zu einem weiteren Erinnerungsort des 1. Weltkriegs, einem russischen Soldatenfriedhof in der Nähe von Mourmelon-le-Grand, wo 1000 russische Soldaten liegen. In der Schlacht an der Marne nahmen auch mehrere russische Brigaden teil, die vom Zaren zur Unterstützung der Franzosen entsandt worden waren. Folgerichtig steht auf den Grabkreuzen: Mort pour la France. Neben dem Friedhof gibt es eine orthodoxe Einsiedelei, wo ein Mönch eine russisch-orthodoxe Kirche betreibt. Leider kommen wir nicht in die winzige Kirche, weil ein stundenlanger Gottesdienst stattfindet und sie gestopft voll mit Gläubigen ist. Russische Gesänge und Gebete tönen nach draußen, die Frauen tragen Kopftücher, am Fahnenmast hängen russische und georgische Fahnen. Man meint, in einem anderen Land zu sein.
Am nächsten Tag regnet es, was die Stimmung auf einen Tiefpunkt sinken lässt, denn auch der ersehnte Anruf von der Werkstatt bleibt aus. Der kommt glücklicherweise am nächsten Morgen und am gleichen Nachmittag wird die Steuerbox dann endlich eingebaut und das Getriebe neu angelernt. Die Werkstatt war eine sehr große, spezialisiert auf Nutzfahrzeuge von Fiat oder Iveco vom LKW bis zum Lieferwagen und Camper. Die Abwicklung war gut, nur die Kommunikation auf Französisch war durchaus eine Herausforderung! Englisch verstand niemand..
Nun können wir endlich Abschied vom Campingplatz in Courmelois nehmen. Obwohl er wirklich schön war, wollen wir endlich weiterfahren. In einem Zug geht es auf dem äußeren Ring fast ohne Stau an Paris vorbei bis in einen kleinen Ort bei Laval: Saint-Jean-sur-Mayenne. Wieder ein hübsches kleines Dorf mit einem großzügigen und schönen Stellplatz am Fluss Mayenne.
Bis zu unserem Ziel, einem direkt am Meer gelegenen Camping Municipal in Landrellec nahe Ploumanac’h ist es nur noch eine halbe Tagesfahrt.
Ploumanac’h ist bekannt für seine besonders schöne Felsküste aus rosa Granit. Hier bleiben wir für drei Nächte. An einem Tag machen wir einen Radausflug nach Ploumanac’h, parken dort am Hafen und umrunden dann zu Fuß auf dem Küstenwanderweg die Halbinsel, auf der der Leuchtturm Phare de Mean Ruz steht. Eine wunderbare Strecke und die Felsen sind spektakulär schön.
Am nächsten Tag geht es mit dem Rad nach Tregastel (weniger hübsch als Ploumanach) zur Halbinsel Ile de Renote, die wir zu Fuß umrunden. Die Flut läuft gerade auf und macht aus einer vorgelagerten Landzunge in Minuten eine Insel. Die Wanderer, die das nicht auf dem Schirm hatten, sind gezwungen, durch das kniehohe Wasser zurück zu waten.
Im Ort Tregastel gibt es einen recht hässlichen Wohnmobilstellplatz direkt an der Straße. Aber es geht noch schlimmer: einige Wohnmobilisten haben sich auf dem Parkplatz des Supermarktes eingerichtet. Wer bitte möchte seinen Urlaub auf einem Supermarktparkplatz verbringen? Wir nicht, obwohl man dort natürlich jeden Morgen frische Croissants kaufen könnte.
An der Ile Grande vorbei (wo wir letztes Jahr einige schöne Tage verbracht haben) geht es zur Landspitze Point de Primel nahe Plougasnou. Auf dem dort gelegenen Camping Municipal de la Mer haben wir letztes Jahr keinen Platz mehr bekommen. Deswegen haben wir diesen Mal am Vortag im Internet vorgebucht. Wir kommen in der geheiligten Mittagspause an, aber unser Name steht samt der Nummer des uns zugewiesenen Platzes auf einer Tafel und so müssen wir nicht warten, bis der Platzwart vom Mittagessen zurückkommt. Nachdem es hier so schön ist, verlängern wir gleich um einen Tag. Die Übernachtung kostet übrigens 17 € für zwei Personen mit Strom und Meerblick!
Als erstes laufen wir zur Landspitze Point de Primel und später an den Strand Plage de Primel. Der ruht jetzt im Schlaf der Nachsaison, es ist nichts mehr los. Der Nachteil dieser Reisezeit ist aber auch, dass fast alle Lokale geschlossen haben und man auf den Campingplätzen kein Brot für den nächsten Tag mehr bestellen kann. Und der nächste Supermarkt ist weit weg! Man muss sich also bereits im Hinterland mit ausreichend Essen versorgen. Gut, dass der Kühlschrank im Balu fast so groß ist wie der zuhause.
Am nächsten Tag radeln wir nach Terenez, dort gibt es eine kleine Austernzucht, deren Degustation noch offen ist. Man sitzt wie in einem Biergarten, nur dass es halt Austern und sonstiges Meeresgetier gibt und man einen maritimen Ausblick hat. Ab und an stiefelt einer der Arbeiter in Wathosen vorbei und unten am Wasser stehen die Austerntische. Ein toller Platz und sehr gutes Essen! Auf dem Rückweg radeln wir durch beschauliche Dörfer und genießen den Blick auf hübsche Häuser und Gärten und immer mal wieder aufs Meer.
5 Antworten
Immer wieder tolle Photos!
Wir müssen unsere Räder das nächste mal mitnehmen…
Viele Grüße
H+D
Wieder ein toller Bericht von eurer Reise mit tollen Ausblicken und leider auch einem gehörigen Problem. Ich wünsche euch weiterhin gute Fahrt und spannende aber positive Erlebnisse. Ich war bereits verwundert so lange nicht von euch gehört zu haben.
Viele Grüße Gerd
Die côte de granit rosé werdet ihr ja sicher schon kennen.
Wie schön, dass ihr wieder unterwegs seid , und wir mitreisen dürfen. Manfred kennt die Gegend sehr gut und lässt fragen, ob ihr auch auf den sept îles wart, am Plage de Trestraou Gare maritime ( Armor Navigation) kann man mit dem Schiff zu den Vogelinseln fahren. Aber vielleicht wart ihr auch letztes Jahr dort.
Ich selbst kenne diese Gegend gar nicht.
Wir wünschen euch noch weiter eine schöne Reise mit hoffentlich sonnigem Wetter und freuen uns schon auf den nächsten Bericht.
Irmgard und Manfred
Danke für den interessanten Artikel Eurer Reise.
Weiterhin gute Fahrt!!!!
Viele Grüße Christine
(z.Zt. am Greifswalder Bodden)