Die Welt ist zu schön, um darüber hinweg zu fliegen

Charente, Charente Maritime und Dordogne

Der Besuch bei Peters Kollegin Jaqueline und ihrem Mann Rolande ist für uns ein tolles Erlebnis. Die beiden sind wie wir im Ruhestand und leben in einem 200 Jahre alten Hof, bestehend aus einem großen Haus und Nebengebäuden nahe Niort. Gutes Essen, gute Getränke (reichlich!) und unterhaltsame Gespräche machen das Wochenende kurzweilig. Jaqueline zeigt uns Niort und seine tolle Markthalle. Dort gibt es eine unglaubliche Auswahl an Meeresfrüchten; Fleisch und Wurst, Käse, Obst und Gemüse. Die Halle ist am Sonntagmorgen voller Menschen, die Besorgungen machen oder sich mit Freunden und Familie an einem der Stände zum Aperitif treffen. Die französische Lebensart ist beeindruckend.

Jaqueline und Peter vor der Markthalle in Niort
Niort

Wir machen auch noch einen Abstecher ins Marais: eine Landschaft wie im Spreewald mit vielen Kanälen und Booten, die mit Stangen gestakt werden. Entlang des Flusses Sevre erstreckt sich diese Marschlandschaft bis zum Atlantik. Leider wird das Wetter zunehmend regnerischer, bleibt aber warm.

Im Regen fahren wir von Niort aus an die Küste und machen Mittagspause in Chatelaillon-Plage, um uns dort die Kirche Sainte Madeleine anzuschauen. Sie wurde im Jahr 2020 renoviert und die Gemeinde hat den Street Art Künstler Amaury Dubois beauftragt, die Kirche innen zu gestalten.

Eigentlich war unser Plan noch einige Tage auf der Ile d’Oleron zu verbringen. Nach einer verregneten Nacht auf dem Campingplatz in Fouras beschließen wir aber, uns lieber Richtung Inland zu orientieren, um notfalls ans Mittelmeer weiterfahren zu können. Fouras ist ein hübscher Badeort auf einer Halbinsel mit Jugendstil Markthalle und einem Fort von Vauban.

Rathaus in Fouras

Unser erstes Ziel im Inland ist die Stadt Cognac. Auf dem Weg liegen die Steinbrüche von Crazannes. Hier wurde 2000 Jahre lang bis 1948 weißer Kalkstein abgebaut und über den Fluss Charente abtransportiert. Der Kölner Dom soll aus Steinen aus Crazannes gebaut sein. Uns interessiert besonders der ehemalige Steinbruch namens „Les Lapidiales“. Hier gibt ein im Jahr 2000 gegründeter Verein Bildhauern aus aller Welt die Gelegenheit, für eine gewisse Zeit in der Gegend zu wohnen und im Steinbruch die Wände zu gestalten. Sozusagen ein Stipendium! Mittlerweile sind ca. 60 Werke entstanden. Der Steinbruch liegt in einer einsamen Gegend in einem Wäldchen verborgen und ist über schmale Nebenstraßen umständlich zu erreichen. Daher überrascht uns die Fülle der Arbeiten und ihre Skurrilität.

Ein Schild in „Les Lapidiales“ weist uns auf die 3 km entfernte Installation „La Galaxie de pierres levees“ hin, ein weiteres ehrgeiziges Projekt. Hier stehen 360 Kalksteinsäulen (Höhe 2,30 m, Kantenlänge 0,80 m) auf Sockeln, angeordnet in Form einer fünfarmigen Spirale. Jeder Arm steht für einen Kontinent. Die Steine warten darauf, von Bildhauern bearbeitet zu werden. Der Plan ist, bis 2060 alle Steine fertig zu haben! Da bleibt noch einiges zu tun!

Auch die Stadt Cognac ist wie fast alle Städte und Dörfer in der Charente aus weißem Kalkstein gebaut. Der ist so weiß, dass man fast den Eindruck hat, die Häuser seien weiß gestrichen! In Cognac kommen wir auf einem Stellplatz unter der direkt an der Charente zwischen den Lagerhäusern der großen Cognac Hersteller liegt. Zu Fuß ist man in 10 Minuten in der Stadt, also ideal gelegen.

Cognac ist ein hübsches Landstädtchen mit knapp 20.000 Einwohnern und lebt vom Alkohol. Diverse bekannte Cognac Hersteller sind hier ansässig und zwar schon seit Jahrhunderten. Martell seit 1715, Remy Martin seit 1724, Hennessy seit 1765, Otard seit 1795 und dies sind nur die großen Firmen. Ihre prächtigen Firmengebäude fallen überall in der Stadt auf. Nachdem uns Jaqueline die Besichtigung von Hennessy empfohlen hat, buchen wir dort eine „Visite“. So lässt sich ein regnerischer Nachmittag gut überbrücken.

Blick aus unserem Fenster auf die Charente

Die Lagerhäuser von Hennessy liegen auf der anderen Seite der Charente und man wird im firmeneigenen Boot vom Hauptquartier aus hinübergebracht. Die Führung ist sehr professionell gemacht, es gibt sogar eine 20-minütige Virtual Reality Show. Man bekommt VR Brillen und bewegt sich durch eine 3D Welt, die sich natürlich um Cognac dreht. Eine Tour durch die Lagerhäuser darf nicht fehlen. Betont wird immer wieder, dass bei Hennessy die Fässer noch wie früher von Hand hergestellt und in den Lagerhäusern geschichtet und beschriftet werden. Wenn ein Lagerarbeiter die erste Reihe seines Arbeitslebens aufgeschichtet hat, legt er einen Blumenstrauß auf das Fass und gibt allen Kollegen Kuchen aus. Sein Name und das Datum werden auf das Fass geschrieben.

Zum Abschluss gibt es natürlich eine Verkostung. Beschwingt erreichen wir trotz Regens und Sturms unser Wohnmobil.

Hinter Gittern und mit Alarmanlage gesichert lagern die richtig alten Cognacs
Die durften wir leider nicht verkosten!

Der Sturm zieht glücklicherweise schnell durch und am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne. Wir verlassen die Weinanbaugebiete rund um Cognac und arbeiten uns über kleine Sträßchen zu den blauen Seen von Guizengard vor. Das Wasser in den ehemaligen Steinbrüchen ist durch Mineralien (Kupfer) türkisblau gefärbt. Die Seen sind mittlerweile aus Naturschutzgründen eingezäunt. Man hatte hier nämlich ein Instagramm Problem! Scheint aber nicht mehr so wild zu sein denn als wir da sind, sind wir alleine.

Die Highlights des Tages sind allerdings ein Holztransporter, der uns auf einem der Sträßchen entgegenkommt, so dass Peter einen halben km rückwärts bis zu einer Ausweiche fahren muss und eine nur 2,40 hohe Bahnunterführung, in die uns unser Navi schicken möchte. Als wir dann am Ziel in Aubeterre-sur-Dronne ankommen, müssen wir auch noch feststellen, dass der Campingplatz bereits geschlossen hat. Glücklicherweise gibt es davor einen Parkplatz am Fluß Dronne, auf dem man nun in der Nebensaison übernachten darf.

Hierhergekommen sind wir wegen der unterirdischen Kirche, die acht Jahrhunderte verschüttet war und erst 1958 wiederentdeckt wurde. Sie wurde im 12. Jahrhundert von Benediktinermönchen von oben nach unten in den Felsen gehauen und ist die größte Höhlenkirche Europas. Man kann auch in die Galerie steigen und von oben in den Hauptraum der Kirche schauen. Der Reliquienschrein ist dem Heiligen Grab in Jerusalem nachempfunden, den der Bauherr im 1. Kreuzzug (1096-1099) gesehen hat und so toll gefunden hat, dass er ihn zuhause nachbauen ließ. Bei dem Loch mit dem Kreuz in der Mitte der Kirche handelt es sich um ein altes Taufbecken!

Benediktinerkloster in Brantome an der Dronne

Wir fahren an der Dronne entlang bis zum Örtchen Brantome und dann bis zu einem Campingplatz nahe Perigueux.

Von hier geht es am nächsten Morgen zu den Höhlen von Lascaux. Die Originalhöhle darf seit 1963 nur noch von wenigen ausgewählten Wissenschaftlern betreten werde, da die Malereien zu sehr unter den menschlichen Ausdünstungen gelitten haben. Seit 2016 ist Lascaux IV in Betrieb und zeigt die 680 Fresken und 1500 Gravuren der Originalhöhle in perfekten Nachbildungen. Genau wie in der Höhle von Chauvet an der Ardeche (die wir im April besichtigt haben) ist die Nachbildung so perfekt, dass man sich in einer echten Höhle wähnt. Das Gebäude ist noch futuristischer und größer als an der Ardeche und die Interpretation noch ausgefeilter. Man bekommt einen Audioguide und kann im eigenen Tempo durch die Höhle gehen. Der Audioguide ist aber mehr als nur Audio: man kann am Bildschirm jede Menge zusätzliche Information abrufen, indem man einfach den Bereich scannt, der einen interessiert.

Lascaux IV

Hinter der Höhle folgt ein Bereich, in dem man sich genauer informieren kann. Hier stehen Nachbildungen der Teile der Höhle mit den meisten Zeichnungen. Die Maltechnik bzw. Ritztechnik kann man hier viel besser sehen und Projektionen machen deutlich, in welcher Reihenfolge die Tiere und Symbole gemalt wurden. Perfekt gemacht und futuristisch in der Anmutung!

Um die Dordogne Region in Ruhe anschauen zu können, bleiben wir für einige Tage auf einen Campingplatz bei Castelnaud de Chapelle. Der ist ein guter Ausgangspunkt, um die Umgebung zu Fuß bzw. mit dem Rad zu erkunden. An einem Tag schauen wir uns die Dörfer Domme (Festung auf einem Hügel über dem Fluss) und La Roque Gageac an. Am nächsten Tag geht es hinauf zum Schloss  Marqueyssac, das auf einem Berg über der Dordogne liegt. Hier gibt es die hängenden Garten zu besichtigen mit Buchsbäumen in allen Formen und schönen Ausblicken ins Tal.

Wirklich eine schöne und zu dieser Jahreszeit auch ruhige Gegend!

Kirche auf dem Weg nach Domme
Stadttor in Domme
Hier geht es hinauf zum Marktplatz
Marktplatz in Domme
Ausblick von Domme auf die Dordogne
La Roque-Gageac liegt direkt am Fluss
Schlösser gibt es hier viele
Jardins de Marqueyssac

2 Antworten

  1. Vielen Dank für den interessanten Reisebericht.
    Eure Fotos gefallen mir sehr gut.
    Weiterhin gute Fahrt.

    Liebe Grüße Christine

  2. Hallo,
    freut uns, dass Ihr dieses Gebiet, das wir auch kennen, besucht und so gut beschrieben habt. Die Lascaux-Nachbildung habe ich mir gespart, aber sie scheint sehr interessant zu sein. Außerdem sehen wir, dass Ihr nicht durch die 3,5 t -Beschränkungen behindert seid und dadurch Vorteile bei der Routenführung habt.

    Mal sehen wir weit Ihr in den Süden vordringt.

    Weiterhin gute Fahrt!
    Horst und Deb

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