Die Welt ist zu schön, um darüber hinweg zu fliegen

Von Lemberg über Kiev nach Odessa

Tag 005 (17.11)

Um 9:00 wurden wir von einem Bus an unserem Stellplatz abgeholt, um unsere Tour in Lviv (Lemberg) zu beginnen.
Lemberg ist eine sehr alte Stadt und hat eine enorme Geschichte zu erzählen.
Man sieht von der baulichen Seite einen sehr starken Einfluss der österreichischen Monarchie. In manchen Gegenden könnte man glauben, man sei in Wien. Die meisten Teile der Stadt machen einen sehr aufgeräumten und sauberen Eindruck. Es gibt natürlich wie überall auch Ecken und Seitenstraßen in denen es etwas heruntergewirtschaftet aussieht.
Wir besuchten beim ersten Halt die St. Georgs-Kathedrale der griechisch-katholischen Kirche. Es war gerade ein Gottesdienst im Gange und es war wunderschön anzuhören, wie nicht nur ein Chor, sondern auch alle Gläubigen gesungen haben. Die Akustik war toll. Die Kirchenbesucher schienen nach Belieben zu kommen und zu gehen.

Von dort fuhren wir in die Innenstadt. Natürlich mussten wir relativ bald in eines der schönen Kaffeehäuser einkehren. Diese Kultur erinnert ebenfalls an Österreich. Nachdem wir wieder richtig aufgewärmt waren, ging es dann weiter mit der Stadtführung und der Geschichte der Stadt.
Alte Stadtmauer, Judenviertel, Armenier Viertel, Oper etc.. Aber das kann jeder bei Interesse für sich in Wikipedia nachschlagen

Wir sind an 3 Apple-Stores vorbeigekommen und es gibt sicherlich noch mehr davon.

Nach etwas Ruhe am Nachmittag ging es dann zu unserem ersten gemeinsamen Abendessen. Typisch ukrainische Küche, sehr kalorienreich, aber auch leckeres Gemüse. Das Essen wurde nur unterbrochen durch ukrainische Trinksprüche bei denen jeder durch lautes „Geschrei“ eingebunden war.

Dazwischen wurden wir mit einer sehr schönen musikalischen Darbietung unterhalten. Ein Violinist und 4 Bandura Spielerinnen spielten nicht nur Musikstücke aus der Klassik oder Folklore, sondern auch etwas zum Tanzen, Mitsingen usw. (z.B.: Leonhard Cohens „Halleluja“).
Es stellte sich heraus, dass die 4 Damen jedes Jahr im Juli und Anfang August in der Nähe von Bayreuth gastieren und dort unter dem deutschen Namen „Goldkehlchenquartett“ auftreten – meist ebenfalls mit Violinen Begleitung. Da haben wir dann schon Pläne für das nächste Jahr.

Nach diesem sehr gelungenen Abend ging es dann beizeiten ins Bett, da wir am nächsten Tag eine weite Strecke von ca. 560 km zu bewältigen hatten.

Tag 006 (18.11)

06:00 Weckerklingeln, um 7:30 ging es dann auf die Straße in Richtung Kiew.

Sobald wir aus dem Umfeld der Stadt Lemberg herausfuhren, wurde es sehr ländlich. Entlang der Straße findet man nur noch sehr kleine, meist ärmlich wirkende Häuschen in Dörfern mit kaum Autos. Pferdekarren sahen wir auch auf autobahnähnlich ausgebauten 4-spurigen Straßen. Kühe werden von alten Männern an der Leine entlang der Straße zum Grasen geführt. In sehr kleinen Abständen findet man Bushaltestellen, die gut genutzt werden. Permanent fahren kleine altersschwache Busse vor, die Fenster beschlagen, die Fahrgäste in dicker Winterkleidung.

Als Kontrast dann unsere nächste Tankstelle, viel Glas und alles chromglänzend und futuristisch eingerichtet – das passt einfach nicht so recht ins Bild.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir schließlich unseren Platz in Kiew auf einer Insel des Dnepr – ein Naturschutzgebiet. Dieses ist um diese Jahreszeit normalerweise geschlossen, aber man hatte unsere Kennzeichen vorab dort angegeben und die Einfahrtschranke hat sich nach kurzer Zeit geöffnet (Kamera liest das Nummernschild).

Am Abend erfahren wir dann wieder mal von einer Änderung der Fährverbindung Odessa Batumi. Aufgrund von zu vielen Schiffen in Batumi darf unsere Fähre Odessa erst am 24.11 verlassen.
Wir haben also in Kiew einen weiteren Tag und in Odessa dann ebenfalls 2 Tage, um die Stadt kennenzulernen.

Die Fahrt war doch sehr anstrengend, obwohl ein Großteil der Straße in sehr gutem Zustand war. Aber die Durchfahrt durch Kiew hat uns ganz schön gefordert. Allerdings gab es sehr viele freundliche Autofahrer, die uns nach einem falschen Einordnen Platz machten. Die Temperatur betrug in der Nacht nur 1 Grad.

Tag 007 (19.11)

3 Grad und leichter Niesel (Nebelauflösung?). Eigentlich war es seit Beginn der Reise meist neblig und nur ab und an kam kurz die Sonne durch. Wir sind gespannt, wann sich das ändern wird.

Wir trafen uns um 9:00 mit Natascha, unserer Führerin. Es ging zu Fuß von der Insel über eine Brücke des Dnepr zum Denkmal für Völkerfreundschaft, wo dann auch der Bus auf uns wartete.
Wir besuchten unter anderem 2 sehr schöne alte und große Kirchen. Der allgemeine Baustil in Kiew erinnert sehr stark an die Bilder, die man aus Moskau oder anderen ehemals kommunistischen Städten kennt: Viele bombastischen Zuckerbäcker-Fassaden.
Natürlich blieb auch hier Zeit, um auf eigene Faust die Stadt zu erkunden. Etwas später trafen wir uns dann wieder und hörten sehr interessante Details über den Maidan-Platz und die dortigen Demonstrationen der Ukrainer für die Freiheit und gegen die Unterdrückung durch Russland. Obwohl diese Ereignisse erst wenige Jahre zurückliegen waren sie uns doch sehr fremd. Da muss später noch Wikipedia herhalten.
Als das Thema auf die Soldaten von Russland und deren Scharfschützen kam, wurde die gesamte Diskussion sehr emotional. Die Ukrainer selber sind ein extrem freiheitsliebendes Volk, das sich nicht mehr länger unterdrücken lassen möchte, sich als europäisches Land sieht und sich mehr dem Westen und der EU zuwenden möchte. Eindrucksvoll ist auch das Mahnmal für die Opfer des Maidan Aufstandes: Bildtafeln sind auf ein Mäuerchen gestellt, dazwischen einfach Pflastersteine geschichtet. Vor vielen der Gedenktafeln liegen Rosen!

Tag 008 (20.11)

Am Morgen traf sich die halbe Gruppe und es wurde gemeinsam an den PCs das Visum für Saudi-Arabien beantragt.
Danach machten wir uns dann selbständig zu Fuß auf den Weg in die Stadt.
Der Stellplatz liegt auf der Insel sehr zentrumsnah und wir erreichten nach ca 30 min. wieder das Zentrum von Kiew und gingen zum St. Michaelskloster.

Wir besorgten uns eine kleine Reiseikone und zündeten 2 Kerzen an, um für alle Eventualitäten der weiteren Reise gerüstet zu sein.
Ansonsten bummelten wir noch durch die Stadt. Die Extreme sind groß. Hippe Läden und Cafes und dazwischen alte Menschen, die auf der Straße betteln. Wie wir am Vortag bei der Führung erfahren haben, bekommt ein Rentner vom Staat selten mehr als ca. 100€ pro Monat. Die Preise in den Läden haben jedoch deutsches Niveau. Eine medizinische Versorgung (Krankenkasse) fehlt fast komplett und die Medikamente müssen selbst besorgt werden. Die alten Menschen mit Kindern – womöglich im Ausland lebend – haben dann zumindest die Hoffnung von dieser Seite aus versorgt zu werden. Das ist dann der echte Generationenvertrag.

Nun noch etwas Info zu der Camping-Infrastruktur.
Wir befinden uns hier auf einem Gelände welches in der kommunistischen Zeit Sportler beherbergte und für Ruderer und andere Wassersportler gebaut war. Alles ist ziemlich verfallen.

Die Toiletten für einen recht großen Bereich bestehen aus 5 Kabinen mit Plumpsklos, Eine Doppeldusche mit Boiler war vorhanden. Das funktionierte auch am Abend als wir ankamen. Aber schon am nächsten Morgen gab es kein Wasser mehr, da eine Pumpe defekt war. Keine Klospülung, keine Dusche und auch kein Frischwasser.
Es gibt hier zwar mehrere Männer die in Lieferwägen hin und her fahren, aber die Motivation jetzt wegen der Gäste etwas zu beschleunigen ist nicht erkennbar. Wir bekamen heute dann eine Frischwasserlieferung per Tankfahrzeug und einige Mitfahrer haben sich über Gießkannen und Kanister mit dem wertvollen Nass versorgt.

Glücklicherweise haben wir ja unsere eigene Infrastruktur und mussten nicht auf gewisse Annehmlichkeiten verzichten.

Tag 009 (21.11.)

Weckerklingeln mal wieder um 6:00 – und sowas nennt sich Urlaub.
Wir haben Balu abfahrbereit gemacht und sind ungefrühstückt gegen 6:30 gestartet, um noch vor der Kiewer Rushhour aus der Stadt herauszukommen.
Nach ereignislosen 6,5h Fahrt sind wir nun an unserem Standort, einem Studentencampus in Odessa angekommen.
Wir kategorisieren jetzt die Schnellstrassen nach „gut“, „schlecht“, „sehr schlecht“ und „besonders schlecht“. Wir fuhren heute alle 4 Kategorien im bunten Wechsel.
Windböen bis über 60 km/h haben unseren Balu ganz schön durchgeschüttelt. Wir sind froh, dass wir nicht heute mit der Fähre gestartet sind. Das hätte ganz schön geschaukelt. Aber auch morgen soll es noch ganz gewaltig blasen, so dass wir uns für die Stadtbesichtigung dick anziehen müssen.
Wir haben auf der Fähre (Fahrtdauer mindestens 36h) leider kein Internet und deshalb gibt es dann den nächsten Bericht über Odessa und die Fährfahrt erst aus Georgien.

8 Antworten

  1. Danke für die schönen Bilder und die einprägsamen Berichte. Vertrautes und Neues in guter Proportion. Als Susanne und ich 1989 bei einer Konferenz. In Kiew waren, sagten die Ukrainer Kollegen: Ihr müsst mal den Fernseher anmachen. Da tut sich was in Leipzig. Und tatsächlich sahen wir diese erstaunlichen Lichterketten. Damals konnte man nicht offen sprechen. Heute scheint es deutlich anders zu sein. Aber was sagen Ukrainer zur Krim? Seit langer Zeit Russlands eisfreier Hafen. Konnte den Chrutschow einfach verschenken?

    Geniesst Eure Reise ohne Politik liebe Ulrike und Peter. Und auf die nächste Etappe bin ich sehr gespannt.
    Grüße in den schon ziemlich fernen Osten,
    Gerhard

  2. Ihr Lieben,
    danke Euch für die tollen Bilder und Berichte!
    Eine weiterhin gute Zeit und bis bald mit lieben Grüßen
    Chrisi

  3. Liebe Ulrike und lieber Peter,
    vielen Dank für euren interessanten und ausführlichen Reisebericht.
    Ihr beschreibt alles richtig toll, dass man richtig mit leben kann.
    Wir wünschen euch eine angenehme Weiterreise auf der Fähre.
    Alles Gute und viele liebe Grüße,
    Elisabeth und Thomas

  4. Vielen dank für Eure berichte, liebe Ulrike, lieber Peter!
    Alles gute auch für die nächsten tage!
    Wir erinnern uns an unseren Kiew-besuch 89, wären gern in Lemberg dabei gewesen und sind gespannt auf Odessa – einem alten wunschziel von mir.
    Herzlich,
    s+g

  5. Liebe Ulrike , lieber Peter ,
    schöne Beschreibung , ich lebe richtig mit!
    Weiterhin gute (Über)fahrt
    Viele Grüße Angelika

  6. Vielen Dank für den sehr interessanten Reisebericht, liebe Ulrike und lieber Peter. Wünschen Euch nun eine gute Fährüberfahrt. Zwei Seebären, wie Euch sollte das ja nicht schrecken.
    Gespannt auf den nächsten Bericht wünsche n wir Euch alles Gute
    Roland und Corinna

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