Vom Kap der Guten Hoffnung über die Weinregion Stellenbosch zum Kap Agulhas


Nach drei Nächten verlassen wir Kapstadt und fahren immer an der Küste entlang Richtung Kap der Guten Hoffnung. In der Rushhour dauert das Durchqueren der Stadt einige Zeit. An einer Ampel sehen wir einen kreativen Bettler. Statt des üblichen Pappschildes mit „Need Food“ hat er eines, auf dem steht: „Need Funds for Penis Reduction“. Dann wechselt er zu einem zweiten Schild mit: „Need Petrol for my Porsche“ und die Krönung des Ganzen: „Will Kidnap Putin for 20 Rand“. Also etwa 1 €! Apropos Russland: vor einigen Tagen lag ein russisches Kriegsschiff hier im Hafen im Rahmen des gemeinsamen Seemanövers von Russland und Südafrika. Es lief nach kurzer Zeit wieder aus, weil es belagert wurde von privaten Motorbooten und Kayakfahrern, die gegen seine Anwesenheit demonstrierten.


Die Küste auf der Kap Halbinsel ist spektakulär schön: Steilküste wechselt mit Stränden ab, es gibt weite Buchten, überall tost die Brandung. Wir fahren den Chapman’s Peak Drive und queren dann die Halbinsel, um an die False Bay zu kommen. Hier besichtigen wir die Boulders Pinguin Kolonie bei Simon’s Town. Simon’s Town ist eine hübsche Stadt mit einem Militärhafen. Das Parken an der Kolonie ist eine Katastrophe. Wir quälen uns hinunter auf den engen, vollen Parkplatz und werden dann ein Stück weiter verwiesen auf den Parkplatz für Busse. Der ist wunderbar zum Parken für Wohnmobile geeignet, aber bis wir ihn finden! Dann zu Fuß mit einem Pulk von Menschen durch eine Wohnsiedlung hindurch zum Einlass, dort umständlichste Abfertigung, obwohl wir die Wildcard zum freien Einlass in alle Nationalparks haben und einfach durchgehen könnten. Die runden Felsen, die Pinguine und das Meer mit dem wogenden Tang sind schon schön, aber die vielen Menschen stören den Pinguin Genuss.







Auch am Kap der Guten Hoffnung ist viel los, aber hier triumphiert trotzdem die Natur. Besonders beeindruckt sind wir von der Straße, die zum berühmten Schild führt, vor dem sich alle fotografieren. Sie verläuft entlang des Maclear Beaches so nahe der Brandung, dass man meint, die Wellen würden gleich über dem Auto zusammenschlagen.




Das Kap wurde für die Europäer 1487 vom portugiesischen Entdecker Bartolomeu Dias entdeckt. Bis zur Eröffnung des Suezkanals war der Seeweg um das Kap herum die einzige Möglichkeit, Afrika zu umfahren. Die vorgelagerten Klippen erstrecken sich knapp unter Wasser weit ins Meer hinein. Bei den oft stark auflandigen Winden und den hier häufigen Monsterwellen sind schon viele Schiffe verloren gegangen.






Wir fahren vom Kap entlang immer entlang der spektakulären Küste wieder zurück nach Süden zu unserem Übernachtungsort Kommetje. Kommetje und Scarborough (der Ort südlich davon) sind tolle Orte mit wunderschönen, aber nicht exzessiv luxuriösen Strandhäusern.
Ich mache noch einen Abendspaziergang am langen Strand von Kommetje und fühle mich wie in Neuengland: gepflegte, wohlhabende (weiße) Menschen machen Spaziergänge mit ihren Hunden, die Stimmung ist entspannt, alle grüßen freundlich.
Am nächsten Morgen bei der Abfahrt kommen uns dann zu Fuß die (schwarzen) Hausbediensteten entgegen. Die Kehrseite des Strandparadieses!






Zwischen Scarborough und Simon’s Town sehen wir dann die Kehrseite des schönen Strandlebens. Oben am Berg, weit weg von den Häusern der Wohlhabenden, leuchten uns die Wellblechbuden einer Township entgegen. Unten an der Küste der False Bay erwartet uns dann wieder gepflegtes, sorgloses Strandleben.
Die False Bay heißt übrigens falsche Bucht, weil die alten Seefahrer in sie hineinfuhren, in der Annahme, sie hätten das Kap bereits umrundet und wären schon in der Bucht von Kapstadt!



An der False Bay liegt auch Khayelitsha, das zweitgrößte Township Südafrikas nach Soweto. Hier leben über 400.000 Menschen in winzigen Blechbuden, die sich Richtung Kapstadt hinziehen. Auf der Straße sieht man Spuren von Reifenverbrennungen und uns wird etwas mulmig zumute, als Reisekollegen ausgerechnet hier eine Reifenpanne haben und wir anhalten müssen, um ihnen zu helfen. Nachträglich unbegründet!


Das Weingut Spiers liegt nur 15 km von den Wellblechhütten von Khayelitsha entfernt in seiner eigenen kleinen heilen Welt. Es wurde 1692 gegründet und ist wunderschön. Weiße Häuser im Kapstil umgeben einen weiten Hof mit Rasen und Palmen. Man kann zwanglos und völlig ohne Kaufdruck in die Gebäude gehen, an den Wänden hängt moderne Kunst und alles ist so unglaublich schön und gepflegt.





Wir richten uns auf unserem Campingplatz nahe Stellenbosch ein und werden dann mit dem Bus zu einem gemeinsamen Essen in ein Weingut gefahren. Ein Stadtspaziergang durch Stellenbosch schließt sich an und wir beenden den Tag mit einer Weinverkostung in einem weiteren Weingut.






Stellenbosch ist nach Kapstadt die zweitälteste von Europäern gegründete Siedlung in Südafrika. Die Stadt ist mit maximal 30.000 Einwohnern eher eine Kleinstadt, besitzt aber eine Universität mit fast 30.000 Studierenden, die früher wohl eine Kaderschmiede der Buren war. Bis 2016 wurde noch überwiegend auf Afrikaans unterrichtet. Die Uni schneidet im internationalen Ranking gut ab und gehört zu den 300 besten der Welt.



Am nächsten Morgen besichtigen wir noch ein weiteres altes Weingut namens Boschendal. Auch hier ist im ehemaligen Gutshaus eine Kunstausstellung zu sehen. Auf den Bildern sind zwar schwarze Menschen abgebildet, abgesehen von den Bedienungen sehen wir aber keine anderen Schwarzen. Ähnlich elitär geht es in Franschhoek zu, einem mehr französisch geprägten Weinort. Hinter Franschhoek queren wir die Bergkette und finden uns in einem riesigen Obst Anbaugebiet wieder. Bis zum Horizont sieht man nur Äpfel und Birnbäume!






Am Meer entlang fahren wir die R44, eine der schönsten Küstenstraßen Südafrikas. Aber es gibt so viele davon, dass es schwerfällt, die schönste zu wählen! Bei Betty’s Bay gibt es wieder eine Pinguinkolonie zu sehen. Die ist viel schöner als die bei Simon’s Town und es sind nur wenige Menschen unterwegs. Die Pinguine sind sogar auf dem Parkplatz. Eine Reisefreundin muss die Pinguine mit dem Besen unter ihrem Wohnmobil hervor scheuchen!









Unser Campingplatz in Onrusrivier liegt direkt am Meer und es gibt einen Felsenpool, der nur durch eine niedrige Mauer vom Meer getrennt ist, so daß die Wellen bei Flut hineinschwappen können. So kann man an der Felsenküste baden und braucht sich nicht vor den hier vorkommenden weißen Haien zu fürchten. Ich gehe schwimmen, aber das Wasser ist eisig kalt, maximal 18 Grad! Ein Abendspaziergang entlang der Küste hilft, wieder warm zu werden.
Angesichts der schönen Strandhäuser und dem gepflegten (zu 100% weißen) Strandleben könnte man vor Neid erblassen. In einem Gespräch mit Südafrikanern, die neben uns kampieren, hören wir allerdings von der Kehrseite der Medaille. Sie sind aus Sicherheitsgründen in eine bewachte, von einem Zaun gesicherte Siedlung gezogen. Die Kriminalität sei unglaublich hoch, weil es für die vielen Menschen in den Townships weder Arbeit noch Hoffnung gäbe. Die Stacheldrahtzäune und bewaffneten Wachdienste seien absolut notwendig. Korruption und Misswirtschaft seien weit verbreitet und das Land würde sich in einer Abwärts Spirale befinden. Später hören wir von einem 77 jährigen ANC (African National Congress) nahen weißen Ex-Anwalt eine etwas andere Einschätzung. Die älteren Weißen seien aus der Apartheid ihren Privilegien verhaftet. Die junge Generation würde anders denken, allerdings würde es wohl zwei bis drei weitere Generationen brauchen, um die eklatanten Unterschiede zwischen schwarz und weiß abzubauen. Allerdings bemängelt auch er die Korruption, die Vetternwirtschaft, die Unterschlagungen und die grandiose Ineffizienz, die für die jetzige Regierungselite typisch seien.
Die Ineffizienz des Systems äußert sich für uns auch in den stundenlangen Stromabschaltungen. Man steht im Supermarkt oder sitzt im Lokal und das Licht geht aus, dann springen die Notstromaggregate an und es geht weiter, als wäre nichts gewesen. Aber wer keinen Generator hat, wie die Leute in den Townships, sitzt den ganzen Abend im Dunkeln.
Unser nächstes Ziel ist Kap Agulhas, der südlichste Punkt Afrikas. Vorher legen wir noch einen Stopp in Hermanus ein und schauen uns auf der Promenade um. Dann geht es von der Küste weg in die Hügel im Hinterland des Kaps. Hier wird Viehzucht betrieben, erst sehen wir viele Kühe, später nur noch Schafe. Unterwegs kaufen wir in einem Farmstall lokalen Käse. Nun fehlt uns noch ein schönes Brot dazu. Das finden wir in einem wunderschön eingerichteten Farmstall mit eigener Bäckerei am Ortsausgang von Napier. Es gibt eine zauberhafte Pergola, auf der wir einen Kaffee trinken und das Ambiente genießen.









Kap Agulhas ist ganz anders als das Kap der Guten Hoffnung: keine steilen Felsen, nur Hügel und Dünen. Wir besichtigen den Leuchtturm und picknicken fast genau am südlichsten Punkt vor unserem Wohnmobil. Am Nachmittag beobachten wir im Nachbarort Struisbaai riesige Rochen im Hafen, die sich dort bei Heimkehr der Fischerboote versammeln.







Am Campingplatz gibt es wieder einen Felsenpool, nur liegt dieser bereits im Indischen Ozean. Das Wasser ist daher schön warm, mindestens 22 Grad und auch die Luft ist wärmer als auf der Kaphalbinsel. Es riecht auch anders: am Atlantik roch es immer intensiv nach vergammeltem Seetang, am Indischen Ozean riecht es dagegen angenehm würzig. Dafür fehlt der eindrucksvolle Kelp Riesentang und die Pinguine. Aber dafür erwarten uns in der kommenden Woche Strauße und Elefanten!

